Warum ich kein Single mehr bin

Heute kam mir der Gedanke, wie bescheuert es doch ist, sich selbst und andere in Kategorien wie „Single“ oder „vergeben“ einzuordnen.

Der einzige Grund, der mir einfällt, das sinnvollerweise zu tun, wäre der Moment wenn jemand „zu mir oder zu dir?“ will, und ich das aus kategorisch-imperativen Gründen nicht tun würde, wenn er/sie/es vergeben ist.

Ansonsten ist es in meinen Augen jedoch gar nicht notwendig, sich irgendwo einzuordnen und damit das andere auszuschließen.

Natürlich ist es trotzdem normal und menschlich. Wir definieren uns ein Stück weit über die Zugehörigkeit zu Gruppen, sie bildet einen Teil unseres Selbstkonzeptes. Ein evolutionär bedingtes Bedürfnis, an dem nichts auszusetzen ist. Solange man seine Peer Groups mit Bedacht wählt, sehe ich da keine Probleme.

Die Single Peer Group wäre nicht die erste, die ich freiwillig verlasse, weil ich mich mit ihrem „politischen“ Programm nicht identifizieren kann. Ich fand es mal selbstfindungstechnisch recht hip, Mitglied bei Mensa zu sein. Was mich in meinem damaligen Weltbild einem elitären Kreis Auserwählter zugehörig fühlen ließ (nicht dass es MEINE Idee gewesen wäre, ein guter Freund wollte nur, dass ich ihn zum Test begleite und plötzlich waren wir beide drin^^).

Meine Illusion der bevorstehenden Weltherrschaft überdauerte nur kurze Zeit, bis ich viele meiner Peers näher kennenlernte und neben dem Gegenteil von Langeweile in ihrer Gesellschaft auch nach dem Bindungsstoff vergeblich suchte, der zwischen uns ein unsichtbares Band hätte hervorbringen sollen. Aber da war nichts. Keine Verbindung.

Ein paar Jahre blieb ich noch, und zahlte brav meinen Mitgliedsbeitrag bis mir endlich klar war, dass ich auch ohne Mensa weiterhin intelligent sein könnte und als Bonus nun auch niemanden mehr mit einer mir hypothetisch unterstellbaren Bildungsarroganz verschrecken konnte (nicht, dass das der Fall gewesen wäre, und wäre es so gewesen, wüsste ich nichts davon, aber schlecht ist es nicht, es sicherheitshalber mal auszuschließen).

Ich zählte mich auch längere Zeit zur Gruppe der Hochsensiblen. Das lief ein bisschen parallel, denn man sagt die Hochsensibilität (HS) oftmals besonders den Hochintelligenten nach. Was insofern logisch sein könnte, da das Nervensystem, bzw der Neocortex offenbar schneller arbeitet und/oder besser vernetzt ist und man dann hypothetisch unterstellen könnte, dass auch die für Wahrnehmung zuständigen Regionen schneller und vernetzter arbeiten, was zu schnellerer Reizüberflutung führen kann, die HS-Menschen zweifelsohne oft erleben können.

Nun ja. Möglicherweise bin ich es, möglicherweise auch nicht. Zu der Gruppe der HS gehöre ich nicht mehr. Ausschlaggebend war da vor allem mal ein Strang in einem Forum, in dem ich längere Zeit unterwegs war unter dem Titel „Das Dilemma der Hochsensiblen“ oder so ähnlich. Es war ein einziges Gejammer und Geheul, und letztlich beschlich mich der Eindruck, dass die Selbstdefinition als HS die Ausrede war für alles und begleitet wurde von der Erwartungshaltung, dass die Umwelt darauf Rücksicht zu nehmen hatte. Ich mag die Opferhaltung nicht. Ich mag es nicht zu denken, ich könnte ja, aber ach, die Hochsensibilität steht mir einfach im Weg. Leider bin ich wohl auch zu intelligent um mir selbst diesen Bullshit zu glauben. Denn bequem wäre es ja schon. Ab und an mag ich es auch mal bequem.

Aber das ist ein anderes Thema.

Wie kam es nun, dass ich mich offiziell und unwiderruflich von meiner Single Peer Group distanzieren möchte?

Eigentlich war es ganz banal. Ich dachte, es wäre schlau, bei Facebook Mitglied von Single Gruppen in meiner Region zu werden. Ein seltener Spaß, der einem jegliche Sehnsucht nach der Anwesenheit eines andersgeschlechtlichen Menschen gaaaanz schnell austreiben kann, wenn man erstmal sieht, was der „Markt“ so zu bieten hat.

Am harmlosesten sind noch die, die jeden Morgen und Abend „Guten Morgen “ und „Gute Nacht“ in die Gruppe schreiben. Kann man einsamer sein als ein Mensch, der das tut? Ich schreibe noch nicht mal meinen Freunden morgens und abends Grüße und wäre irritiert, wenn sie damit anfangen würden. Warum sollte ich Unbekannte im Internet grüßen?

Noch irritierter bin ich von Mitgliedern, die teils täglich ein Selfie von sich posten, mit Begleitsätzen wie „Will mich denn keine?“, „Gibt es hier eine liebe treue Frau?“ (Was auch irgendwie im Subtext suggeriert, der Großteil der Frauen wäre nicht lieb und treu. Diese Bitches. Alle.) In Kombination mit einem weißen Feinripp-Unterhemd leider sehr unsexy. Man mag es kaum glauben, dass im Jahr 2019 jemand noch in Feinripp posiert. Die Realität zerstört jedoch auch die letzte Illusion. Natürlich hat es auch sein Gutes, die Liste all dessen, was ich NICHT will, weiter zu verfeinern. Jedoch gehört auch „mich ungewünscht abtörnen lassen“ zu den Dingen, die bereits auf der Liste stehen.

Der Höhe- oder nennen wir es lieber Tiefpunkt war jedoch die Meldung des Gruppenadmins, dass er in einer anderen Gruppe erfahren habe, ein Mitglied „unserer“ Gruppe sei bereits vergeben -in einer Beziehung-, verbunden mit der Ansage, die betreffende Person möge doch bitte SOFORT die Gruppe verlassen. Man gebe ihr diese Chance jetzt noch bevor sie gelöscht würde.

Ein Gefühl von Beklemmung überkam mich. So wie immer, wenn etwas „off“ ist. Wie ein Riss in der Matrix.

Hatte ich das wirklich gelesen? Stand das wirklich SO da?

Ich kürze ab: auch 10 Minuten später lautete die Mitteilung noch immer gleich. Einige Kommentare sammelten sich schon. Man muss der Gruppe zugute halten, dass die meisten zumindest verhalten irritiert waren angesichts der Radikalität des Beitrags. Aber letztlich stimmten doch alle zu: wer kein Single ist, muss gehen, und das bitte plötzlich.

Dieser Moment beendete meine Karriere als Singlegruppenmitglied.

Ich hinterließ noch einen nett gemeinten Kommentar über die leicht faschistoiden Züge der Mitteilung und ob vielleicht jemand auch schon auf die Idee gekommen wäre, die Person zu beglückwünschen zu ihrem Liebesglück statt sie in autoritätsblinder „die vs wir“- Engstirnigkeit zu bashen. Ob man nicht lieber LovePeaceHarmony verbreiten sollte, dann klappts auch mit der Liebe besser? (Ja, mir war klar, dass ich auch wenig LovePeaceHarmony verbreitete, aber manchmal muss es ein Vorschlaghammer sein. Einer mit Herzchen drauf 😉

Dann verliess ich die Gruppe.

Ab und zu denke ich noch, was sich da wohl für eine weitere Bashing-Welle über meinen Kommentar ergossen haben mag. Ich werde es nie erfahren. Und das finde ich prima 🙂

Seither mag ich da nicht mehr dazugehören. Ich distanziere mich davon Single zu sein.

Ich habe auch darüber nachgedacht, wo ich mich denn überhaupt zugehörig fühle und viel kam mir nicht in den Sinn: Frau (ja definitiv). Okay, da hört es schon auf.

Mir fallen mehr Dinge ein, die ich nicht bin:

  • Vegetarier/Veganer
  • GoT-Fan
  • TV-Besitzer
  • Shopping-Queen
  • Mutter
  • Thermomix-Inhaberin

Mir ist auch wieder bewusst geworden, wie wir gesellschaftlich dazu tendieren, Single mit einem Mangelzustand gleichzusetzen. Etwas, das man ändern muss. Weil nur dann kann man wirklich glücklich sein und dazugehören.

Allein die Tatsache, dass es vermutlich absolut irritierend wäre, würde ich anfangen meinen vergebenen Freunden Tipps zu geben, wie sie möglichst bald aus ihrer Beziehung herauskommen könnten, während es umgekehrt aber sehr verbreitet ist, MIR Tipps zu geben, wie ich einen Mann finde, zeigt, was normativ offenbar als der „richtige“ Zustand angesehen wird.

Dagegen lässt sich nicht viel machen. Aber es kann nicht schaden sich dessen zumindest bewusst zu sein.

In diesem Sinne viel Spaß bei der Selektion Eurer Peer Group 🙂


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