Face 2 Face Dating

Oder das große WTF der Frauen

Gestern hab ich mal etwas Neues ausprobiert. War eine spontane Idee vor einigen Wochen, gestern dafür umso geplanter und mit viel Überwindung, Selbstaufraffung und gutem Zureden meiner Selbst verbunden.

Face 2 Face Dating.

Eigentlich paradox, da ich ja gar nicht mehr date im engeren Sinne. Ich lerne einfach Menschen kennen und gehe davon aus, wenn man der Wahrscheinlichkeitsrechnung trauen kann, dass da einfach irgendwann mal jemand dabei sein muss, der perfekt zu mir passt. (Und auch WILL, was man ja heutzutage quasi hinter jedes hypothetische Match in Klammern schreiben muss). Passen würden doch so manche, allein sie wollen nicht, was ich will. Kann man sich fragen, ob man das dann immer noch als Match bezeichnen will, weil es im Grunde gar keins ist. Also verkürzt gesagt, Chemie = Match, Kompatibilität = Unmatch. Wie gewohnt schweife ich ab.

Ich weiß nicht mehr wirklich, wie ich auf der F2F Website gelandet bin, aber ich fand es spannend genug um es probieren zu wollen. Für 15 Euro ist man dabei und bekommt eine Bartour durch die gewählte Stadt organisiert, lernt andere Singles kennen und im Idealfall die große Liebe.

1 Abend, 3 Bars, 18 Leute. 1,5h pro Bar. Offline-Dating, kein speeddating. Ein 6er-Tisch pro Bar. Keine 1 zu Situationen

So die Theorie. Die Praxis war dann doch eine etwas andere:

19:17

Ich treffe viel zu spät und als Letzte in der mir genannten ersten Location ein. Am Tisch sitzen bereits acht Personen. Ich hatte mit weniger gerechnet. Eine Frau mit markanter Hornbrille und knallrot geschminkten Lippen sieht mich todernst an. Ein vernichtender Blick. Ich nehme es als Zeichen meiner Konkurrenzfähigkeit, sonst hätte sie ja keinen Grund mich so zu missmutig anzufunkeln. Versucht nicht, mich von etwas anderem zu überzeugen (sie versuchte ein Niesen zu unterdrücken, mein Outfit fand sie einfach nur schrecklich, sie fand mein Zuspätkommen ultraunhöflich …)

19:25

Alle sind jünger als ich. Und niemand interessiert mich von den Männern. Also gehe ich zu dem Teil des Abends über, der den Verzehr alkoholischer Fancy Drinks beinhaltet. Ich hatte ohnehin nicht damit gerechnet, meinem Traummann zu begegnen und mich eigentlich nur auf Essen und Trinken gefreut. Etwas „enttäuscht“ bin ich trotzdem, weil ein attraktiver Mann die Sache ja auch gleich interessanter macht. Aber so muss ich mit den üblichen Tischgesprächen und meinem Aperol Spritz vorliebnehmen.

20:03

Ich habe gelernt, was Prep-Cooking ist. Ich dachte, als der Begriff fiel, wow, erzähl mir mehr, endlich etwas, das ich noch nicht kenne. Pustekuchen. Es ist schlicht ein anderes Wort für vorkochen. Okay, was wir von Oma lernten, ist also noch in, muss nur einen neuen, zeitgemäßeren Namen bekommen und schon fühlt man sich nicht mehr so spießig damit. Eine gute Strategie.

20:25

Eine unangenehme Stille und Schwere breitet sich über unserer Tischecke aus, als S. (w) rechts neben mir meinem Teampartner C. zu meiner Linken auf seine Frage nach Nummerntausch antwortet „gern, aber nur freundschaftlich“. Bähm. Ich bewundere ihre Schlagfertigkeit. Ich hätte vermutlich aus Überraschung über diese Frage erst einmal 10 Minuten darüber nachdenken wollen, und um es aber nicht so strange werden zu lassen und meinem Gegenüber die Schmach zu ersparen, ihm die Nummer einfach gegeben, und mich hinterher drei Wochen darüber geärgert, während ich zunehmend genervter und wütender über mich selbst versuche, seine Annäherungsversuche und Datevorschläge abzuwehren. Ich muss definitiv aufhören mit der Nettigkeit! Ich bleibe allein mit meinen beiden Teampartnern zurück, als der erste Barwechsel für die anderen Teams ansteht.

20:35

Zwei junge Mädchen tauchen auf. Ich bin etwas irritiert, dass wir nur noch zu fünft sind, während wir vorher neun Personen waren, aber höre dann auf, den Sinn zu suchen. Die Beiden sind noch jünger als die bisherigen Datepartner unserer Gruppe. 23 und 26. Ich lehne mich zurück, denn jetzt bin ich sowas von aus dem Rennen, da braucht man sich keine Illusionen machen. Es entsteht die erste unangenehme Stille am Tisch. Die Mädchen fühlen sich sichtlich nicht inspiriert und eher gelangweilt mit zwei unattraktiven Männern und einer zwar netten aber fast doppelt so alten Frau am Tisch. Ich denke die ganze Zeit, hey, eine von Euch beiden könnte meine Tochter sein. Später wird es doch noch interessanter und ich mag sie beide unheimlich. Könnte eine Art Kindchenschema sein.

20:53

Es kommt doch noch ein FFM Trio zu uns und ich feiere innerlich. Zwei Frauen etwa in meinem Alter, ein weiterer unattraktiver Mann, der leider so nuschelt, dass ich seinen Namen erst nach zweimaliger Wiederholung verstehe. Ich beginne mich zunehmend für die Frauen zu interessieren. Finde sie alle ziemlich klasse, und wäre ich ein Mann … naja, lassen wir das.

21:26

Langsam beginne ich, auf die Uhr meines Teampartners C. zu schauen und unseren Barwechsel herbeizusehnen. Habe das Gefühl, ich stehe bzw. sitze ihm im Weg. Die beiden jungen Mädchen sitzen rechts von mir, er nach wie vor links von mir. Uns beiden ist aber klar, dass er hier gar nicht erst nach der Nummer fragen sollte. Tut er auch nicht. Kluger Mann.

22:00

Endlich sind wir an der Reihe, die Bar zu wechseln. Unser 3. Teamkollege ist schon vorgegangen, bin nicht sicher, ob er es nur nicht abwarten konnte, endlich weitere neue weibliche Datepartner abzuchecken. Wir unterhalten uns noch etwas mit dem Trio, das verspätet zu uns kam, und tauschen dann zu fünft Nummern untereinander. Zwei von fünf wollen mich verkuppeln, da ja leider für mich an dem Abend niemand dabei zu sein scheint, aber man mich offenbar sympathisch genug für eine Weiterempfehlung findet. Mein Ego tanzt Moonwalk in meinem Kopf.

22:10

Ich laufe mit C. zur nächsten Bar, keine 500 m entfernt. Er ist ein sehr netter, angenehmer und höflicher Mensch. Stelle ich fest. Ich denke, er sollte mal erfolgreich sein bei diesem Event, befürchte aber gleichzeitig, dass ich das auch nur denke, weil wir beide definitiv aus Altersgründen nicht matchen können und wäre ich im richtigen Alter für ihn, ich womöglich auch nicht das größte Interesse aller Zeiten hätte. Überlege, ob ich ihn coachen sollte, um seine Attraktivität für Frauen zu erhöhen. Denn Potenzial hat er auf jeden Fall. Er macht nur ein paar Dinge ein ganz kleines bisschen falsch. Meine neue Businessidee wabert durch meine Gedanken.

22:22

Neue Bar, neue Leute, gleiches Spiel. Ich muss sagen, es könnte am Aperol Spritz liegen, aber die Frauen werden immer besser, während die Männer immer uninteressanter werden. Ich erfahre, dass ich nicht deutsch aussehe, wie genau, da scheiden sich die Geister. Bade ein wenig in dem Gefühl, super exotisch zu sein. Okay, ich BIN an dem Abend auch eher exotisch, da ich meinen Berechnungen zufolge definitiv die älteste bin. Ich falle auch insofern aus dem Rahmen, dass ich tatsächlich allein gekommen war. Jede andere Frau war „zu zweit“ unterwegs mit Freundin, Kollegin oder Stiefschwester. Was ich nachvollziehen aber trotzdem nicht wirklich verstehen kann. Als besonders mutig würde ich mich nicht bezeichnen und es hat mich auch nicht wirklich Mut gekostet, allein hinzugehen. Werde aber beim nächsten Mal, wenn überhaupt, auch nur noch mit Wingwoman kommen. Ob ich hier jemanden matche oder nicht, interessiert mich seit kurz nach Beginn des Abends schon nicht mehr. Ich konzentriere mich auf die Frauen, und die Balzrituale der Männer. Während Teampartner J., der es ja so eilig hatte, vor uns in der Location zu sein, bereits der nächsten Frau ein wenig zu sehr zu ihr hingebeugt wild gestikulierend seinen unstillbaren Redefluss überhilft, tut mir F., der in der anderen Ecke des Tisches sitzt, leid. Er sagt kein Wort. Kein einziges Wort. Wenn man mal von seiner Bierbestellung absieht. Introvertierte, schüchterne Menschen sollten diesen Weg des Dating eher nicht beschreiten. Wenn man in der Masse untergeht, weil man gar nichts sagt, kann das das Selbstbewusstsein erst recht ins Aus katapultieren.

22:43

Ich überlege, von hier direkt zum Parkhaus zu laufen und den Abend zu beenden. Viel interessanter kann es eigentlich nicht mehr werden. Die Mädels, von denen ich eine supersuperhübsch finde, gehen aber noch zum Abschlusstreffen und ich denke, ich bleibe noch auf eine Cola.

23:03

Alle bisherigen Gruppen, von denen ich eine noch gar nicht getroffen habe, sitzen an einem fantasievoll zusammengestellten Tischgebilde in einem U-förmigen Oval. Es ist absehbar, dass sich an der einmal festgelegten Sitzordnung nichts mehr ändern wird. Ich beobachte, wie C. doch noch nach der Nummer der 26-jährigen fragt. Unbelehrbarer Mann. Ich sitze mit zwei anderen Frauen am anderen Ende des U und höre mir Erfahrungsberichte über Elitepartner an, nach denen ich mir das Memo „niemals bei Elitepartner anmelden“ im Kopf hinterlege. Andererseits denke ich immer, es ist doch alles sehr subjektiv. Jeder kennt die Geschichte von jemandem, der jemanden kennt, der jemanden kennt, der bei Tinder seine große Liebe gefunden hat. Man selbst ist nie dieser Jemand, aber es gibt sie. Oder sollten das doch nur Urban Myths sein? Ich glaube langsam, oder eigentlich schon immer, die echte Liebe findet man in dem Moment und zu dem Zeitpunkt, wo man sie finden SOLL. Man kann fünf Jahre im Onlinedating verplempern, und trifft Mr. Right unerwartet am Obstregal, während man aussieht, als käme man gerade von einem 7-wöchigen Waldcamping-Retreat. Oder man dated gar nicht und trifft ihn plötzlich in der Werkstatt. Beim Tanzkurs. Beim Ausgehen, Wandern, Schwimmen. Es ist egal. Was sein soll, wird ohnehin passieren. Deshalb habe ich das Dating an den Nagel gehängt, da ich ohnehin glaube, dass der richtige Mann kommt, und ich kann da nichts dagegen machen 😉

23:25

Die beiden jungen Mädchen gehen, C. kommt nach seiner Abfuhr wieder zu unserer Frauenrunde. Das Gespräch wird doch noch sehr tiefgründig, fast zu tiefgründig für mein Cola light trinkendes Ich. Für solche Themen braucht man Wodka. Oder mindestens eine Flasche Rotwein. Am See. Unter klarem Sternenhimmel. Fast schamvoll erzählt er mir, dass er noch nie eine richtige Beziehung hatte. Mit 34. Nun ja, ich bin über sowas nicht überrascht, kenne Leute, die älter sind und noch nie eine hatten. Aber habe das Gefühl, er schämt sich regelrecht dafür. Dabei ist das etwas, was einfach passieren kann. Man plant das ja nicht, und irgendwann ist man in dem Alter und denkt sich „oooops, was ist da schiefgelaufen“. (Siehe auch das Kinderthema 😉 ) Ich fange an ihn fast ein bisschen zu mögen. Auf eine „wir werden niemals ein Liebespaar, aber du verdienst schon eine tolle Frau an Deiner Seite“-Art. Er ist auch mittlerweile überzeugt davon, sein Freund würde super passen für mich. Immerhin ist DER Mitte 40. Wir erörtern ziemlich umfangreich, was wir wann wie wo machen werden, damit ich ihn oder besser er mich mal kennenlernt, ohne dass es irgendwie cheesy wird.

00:13

Wir beschließen zu gehen und ich bin überrascht, wie lange ich doch geblieben bin. C. begleitet uns noch zum Parkhaus, nach seiner Verabschiedung gackern wir Frauen noch ein Weilchen im Parkhaus herum. Eigentlich endet der Abend mit dem besten, was er zu bieten hatte: ein paar tollen Frauen, mit denen man lachen und herumalbern kann. Ich fühle mich so wohl mit ihnen, wie mit keinem einzigen der Männer dieses Abends.

Mein Fazit:

Man trifft hier keine Traummänner und keine Traumfrauen, zumindest keine, die man nicht anderswo auch finden würde. Tendenziell fand ich die „Qualität“ – wenn man das so nennen kann – der Frauen höher an diesem Abend. Kann aber auch nur ein Wahrnehmungsbias sein, da ich ja selbst eine Frau bin. Die Männer sind die gleichen, die auch online vielleicht nicht unbedingt am erfolgreichsten sind. Offlinedating bzw. Facetoface Dating beinhaltet ja genau die gleichen Leute, die auch online unterwegs sind. Und wenn sie online nicht matchen, dann kann man nicht erwarten, dass es offline besser klappt. Ist nur ein anderes „Medium“, die Auswahl ist aber die gleiche. Grundsätzlich kann das schon im Ausnahmefall Erfolg haben, aber ich denke, das wird so ähnlich wie mit den Stories von jemandem, der jemanden kennt ….

Face2face-Dating ist eine nette Idee, aber nicht bis zu Ende gedacht. Falls jemand Unterstützung braucht, um es rund zu machen, bitte gern bei mir melden 😉

Love, Kat


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